Zum ersten Mal ging es für mich vor ein paar Tagen nach Afrika. Unglaublich, aber wahr: Es braucht es nur 14 Stunden und zwei Flugzeuge, um von Deutschland nach Rwanda zu kommen. Nach einer Zwischenlandung am unglaublich süßen Flughafen in Addis Abeba betrete ich zwei Stunden später zum ersten Mal rwandischen Boden in Kigali. Es sind ca. 27°C, die Luft ist feucht und ich werde von zwei strahlenden Gesichtern erwartet: Carla und Alex holen mich beide ab und geleiten mich schnurstracks zu den “Motos”, mit denen wir uns auf den Weg zu unserem Gästehaus machen. Was für ein Ankommen! Mit dem großen Rucksack auf dem Rücken und einem viel zu großen Helm auf dem Kopf rasen wir an Hochhäusern und kleinen Häusern mit Wellblechdach vorbei. Auf den Straßen herrscht leichtes Chaos, welches sich aus diversen Motorrädern, Autos und Lastwagen zusammensetzt. Und obwohl ich die mahnenden Worte meines Vaters bezüglich langer Kleidung und festen Schuhen beim Motorrad fahren im Ohr habe, kommen wir trotz Sommerklamotten heile und ohne Sturz an. Wir sind jetzt schon gespannt auf das Treffen mit Rose bezüglich IMAGO in den nächsten Tagen.
Ob Rose nun selber Körbe und Taschen produziert oder eine Gruppe von Frauen repräsentiert, wissen wir selbst nicht genau. Sie erklärt es uns leider auch nicht, weil sie zum vereinbarten Treffen nicht auftaucht. Da wir aber schon aufbruchsbereit waren, fuhren wir dennoch ins Stadtzentrum und anschließend zum Gemeindezentrum der Presbyteriene Church of Rwanda. Dort war vereinbart, Kunsthandwerk (Körbe, Taschen, Schmuck…) von 16 verschiedenen Kooperativen anzusehen. Leider treffen wir auch von diesen niemanden an, da vergessen worden war das Ganze zu organisieren. Emmanuel, der die Planung übernehmen wollte, schafft es dann aber, dass wir noch zwei der Frauen zu Hause besuchen konnten, um uns anzuschauen, wie und unter welchen Umständen sie arbeiten.
Zur ersten Frau gehen wir zu Fuß. Ihr Haus befindet sich in einer Siedlung direkt hinter der Kirche. Die meisten Deutschen würden sich darunter vielleicht hübsche Reihenhäuser mit Vorgarten und Garage vorstellen, die Realität hier sieht dagegen anders aus: Sobald wir das Kirchengelände verlassen, haben wir staubig roten Lehmboden unter den Füßen und sind umringt von Kindern und Frauen, die entweder vor Alex‘ Kamera positionieren oder sich vor ihr scheuten. Ein kleiner Markt, bestehend aus Wellblechhütten und zusammengeflickten Ständen auf denen Kohle, Gemüse oder Früchte verkauft wurden, begegnet uns als nächstes. Viele der Frauen tragen ihre Waren auf dem Kopf und schauen uns ganz interessiert an.
Alphonsine, die Frau, die aus Perlen und kleinen Holzplättchen Taschen fertigt, geht voran und führt uns über den unebenen Boden durch kleine Gassen zwischen Lehmhäusern hindurch. Kinder und neugierige Blicke, gefolgt von “Amakuru” oder einem “How are you?” begleiten uns. Vor dem Lehmhaus, in dem sie wohnt, sitzen fünf Kinder, von denen eins ein wirklich sehr knuffiges Baby ist, ich hab mich sofort verliebt.
In ihrem Haus werden dann alle Sitzgelegenheiten zusammengesucht, sodass wir uns setzen können. Im ansonsten leeren Wohnzimmer ist es stockdunkel, weil vor dem 30x30cm großen Fenster ein Vorhang hängt, den die Frau allerdings schnell beiseite zieht. Obwohl nun ein wenig Licht in den Raum fällt, ist es nach wie vor recht schummrig. Auf unsere Bitte, uns zu zeigen, wie sie arbeitet, wirft sie eine Bastmatte auf den Boden und setzt sich breitbeinig, sodass ihr hübsches grünes Kleid weit fällt. Dann nimmt sie die Perlen in die Hand und zeigt uns, wie sie diese auf einen Nylonfaden auffädelt und verknotet. Carla zeigt Interesse und hat unter Anleitung schnell selbst die Fäden und Perlen in den Händen. Ein Weilchen verbleiben wir bei ihr, damit Alex fleißig Bilder machen kann, und machen uns dann auf den Weg zu Josepha, einer weiteren Kunsthandwerkerin. Während wir den Hügel durch die kleinen Gassen wieder hinaufgehen, erzählt Emmanuel, dass Alphonsine ihn vor einiger Zeit nach Medikamenten zur Schwangerschaftsverhütung (also der Antibabypille) gefragt hat und hakt nach, ob wir so etwas besorgen können, weil die Familie ein weiteres Kind finanziell nicht tragen könnte.
Im Laufe des Gesprächs merkt Carla an, dass auch die Antibabypille für die Frauen nicht bezahlbar ist und fragt, ob die Frauen hier überhaupt wissen, wann sie besonders fruchtbar sind und wie ihr Zyklus funktioniert. Laut Emmanuel ist das Wissen darüber sehr gering, obwohl er so genannte “Familiy planning lessons” gibt. Bei uns kommt in diesem Kontext die Frage auf, wie man die Frauen und auch Männer besser informieren könnte, sodass sie mehr über ihren Körper erfahren und zumindest auf natürliche Verhütungsmethoden zurückgreifen können.
Obwohl dieser Tag um kurz nach 18:00 Uhr mit dem Einbruch der Dunkelheit zu Ende geht, fahren wir noch zu Josepha, um dort bei Kerzenlicht handgemachte Körbchen und handgeschnitzte Figuren anzugucken. Alex und seine Kamera sind zwar ziemlich unzufrieden mit dem schlechten Licht, sie geben sich dann aber doch mit dem der Handytaschenlampen zufrieden
Nach getaner Begutachtung der potentiellen Produkte für Imago geht es wieder zurück nach Kigali City.
Dienstag ist Alex’ letzter Tag. Noch bevor wir uns einige weitere kunsthandwerkliche Dinge ansehen wollen, sind seine Taschen gepackt. Zu seinem Unglück beginnt es aber in Strömen zu regnen, nachdem wir die Produkte (inklusive eines Bademantels und Laptoptaschen) bestaunt und fotografiert haben. Regen gilt hier als allgemein anerkannte Entschuldigung, um gar nicht oder viel zu spät irgendwo aufzutauchen. Alex hingegen freut es wenig, dass es direkt vor seinem Reiseantritt wieder anfängt zu regnen und nicht den Anschein macht weniger zu werden, denn ohne Auto sitzen wir fest. Zum Glück hat Emmanuel sein Auto noch nicht verkauft und kann uns zum Flughafen fahren. Dort wird Alex’ Gepäck von einem recht zerzausten Spürhund auf Sprengstoff untersucht und schließlich ohne anschlagendes Gebell zum Check-in gelassen.
Damit ist Alex wieder auf dem Weg nach Deutschland. Carla und ich halten die Stellung in Ruanda und freuen uns auf viele weitere spannende Erlebnisse.