Wie uns der Stillstand durch Regen zu neuer Inspiration verhalf

… und die ruandische Art der Verhandlungsführung verwirrte.

Wenn du diesen Blogeintrag liest, sind Carla und ich schon seit wenigen Tagen wieder in Deutschland und eine Delegation mit Jakob, Jan, Nick und Philipp ist schon nach Sierra Leone geflogen. Dennoch möchte ich noch ein paar Dinge über die zweite Hälfte meiner Zeit in Ruanda mit euch teilen.
Nach Alex’ Abreise blieb uns noch eine gute Woche um weiter Kooperativen für Imago zu treffen, beim Mukarange District vorbeizuschauen und nach Kiruhura zu fahren.

Der Mukarange District liegt im Norden Ruandas und das Verwaltungsgebäude, welches vielleicht vergleichbar mit einem unserer Landtage ist, befindet sich ca. 2 Stunden Autofahrt von Kigali entfernt. Bisher hatte ich nur die pulsierende Stadt mit all ihren verrückten Motos und recht lauten Straßen gesehen, sodass es mich überraschte bereits außerhalb der Metropole grüne Felder auf diversen Hügeln zu sehen. Es war als seien wir binnen weniger Minuten in ein anderes Land gereist, obwohl wir natürlich immer noch in Ruanda waren. Kein Wunder, dass es den Beinamen „Land der 1000 Hügel“ trägt. Es hat ihn wirklich verdient. Die gut asphaltierte Straße schlängelte sich vorbei an saftig grünen Tälern sowie Tee- und Zuckerrohrplantagen. Allein der einsetzende Regen lenkte uns von der phänomenalen Aussicht ab, weil er uns nötigte die Frontscheibe in regelmäßigen Abständen von innen zu wischen. Emmanuels Auto besaß trotz Ledersitzen und Luxusausstattung keine funktionierende Frontscheibenbelüftung. Doch das Auto will er bald verkaufen. Er hat festgestellt, dass sich Gewinn daraus schlagen lässt, ein Auto etwas teurer zu verkaufen, als man es selbst eingekauft hat.
Von diesem wirtschaftlichen Geschick ließ sich in Kiruhura hingegen nur träumen. Doch dazu später mehr.
Unser Treffen zur Besprechung des weiteren Vorgehens bezüglich der schon gebauten Krankenstation und des noch in Planung stehenden zweiten Gebäudes verlief verhältnismäßig unspektakulär: Wir saßen in einem Büro gefüllt mit einem überdimensional großen Schreibtisch sowie einer großen Ledergarnitur. Bevölkert von zwei weißen und zwei schwarzen Frauen und Emmanuel natürlich mitten drin. Nach einer höflichen Begrüßung in Englisch und Carlas Vortrag unseres Anliegens wechselte die ganze Diskussion ins Kinarwandische. Emmanuel schien in sich ruhend und dennoch wild gestikulierend zu erklären, warum denn der Health Post gerade in Kiruhura und nicht in einem anderen Dorf erweitert werden müsse. Leider beschränkte sich unser Verständnis dieser Unterhaltung auf die Körpersprache der drei Offiziellen. Schließlich wechselten sie wieder ins Englische und verkündeten, dass die Sache geklärt sein und wir selbstverständlich eine Zahnklinik und oder eine Augenklinik in Kiruhura bauen könnten. Zufrieden und meinerseits doch ein wenig verwirrt, verließen wir das kühle Gebäude und fuhren für ein paar Bruschet (Fleischspieße aus Muskelfleisch oder Hoden) und Kartoffeln zu einem Imbiss. Schon spannend, wie dieses doch sehr offizielle Gespräch verlaufen war. Ganz klar, in Deutschland werden Dinge irgendwie komplizierter gemacht. Zum Glück schien Carla aber doch auch noch die deutsche (ist es wirklich „deutsch“ Dinge auf Papier festhalten zu wollen?) Denkart innezuhaben, sodass sie noch vor dem Ende unseres Treffens um ein von allen unterschriebenes Protokoll gebeten hatte. Denn das Gefühl, dass wir wirklich etwas beschlossen hatten, hatte ich noch nicht. Wie dem auch sei, wir hatten ein erstes „Go!“, das uns dazu antrieb, weiteren Research zu betreiben.

Am nächsten Tag regnete es. Ja, es regnete wirklich den ganzen Tag, und es schüttete nur so aus Eimern, was umso weniger zum Trocknen unserer frisch gewaschenen Wäsche beitrug. Um zu verstehen, was für ein Drama das ist, muss man wissen, dass Carla keine frischen Klamotten mehr hatte und wir ca 2 Stunden damit verbracht hatten unsere Wäsche mit der Hand in einer sehr großen gelben Schüssel zu waschen. Nicht nur schaffte es Carla dabei mit einer diebischen Freude mich und alles um uns herum nass zu spritzen, sondern wirkte auch mein Waschmittel aus Omas Zeiten nicht mehr so reinigend wie erhofft.
Regnet es hier, herrscht erst einmal Stillstand. So lange, bis es aufhört und man sich nicht mehr wegen der eventuell nass werdenden Klamotten erkälten kann. Da es aber wirklich sehr lange regnete und wir ohne Internet feststeckten, nutzten wir die Zeit um hochproduktiv auf unseren Betten rumzulümmeln. Es mag vielleicht nicht so klingen, aber wir waren wirklich sehr produktiv dabei! Es kamen uns nämlich Ideen zu neuen Projekten. Angefangen bei der recht abstrakten, dass man die Wucht des Regens doch in irgend einer Art und Weise zu Strom verarbeiten können müsste, bis hin zu der Idee Einrichtungen zu schaffen, die es Frauen ermöglichen zu erfahren wie ihr eigener Körper funktioniert und wie sie bei einem regelmäßigen Zyklus zumindest auf natürliche Weise verhüten könnten. Darüber hinaus träumten wir von einem weltweiten Permakulturprojekt und ließen unseren Gedanken einfach freien Lauf.
Der nächste Tag ging dann allerdings wieder sehr handfest und wenig träumerisch voran. Wir fuhren zu zwei verschiedenen Initiativen (Körbe und Textilien) um extra für Imago angefertigte Beispielsarbeiten zu besprechen und abzuholen, und trafen uns anschließend für eine Besprechung mit Emmanuel. Die folgenden Tage waren in erster Linie mit Treffen dieser Art gefüllt. Lediglich der Sonntag mit seinem vierstündigen Gedenkgottesdienst an den Genozid und unser Ausflug nach Kiruhura stellten eine Besonderheit dar.