It's all about networking – Neuigkeiten von der Machbarkeitsstudie

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich endlich eingewöhnt habe und das RGC-Büro (‚Reversed Generational Contract‘) in Ruanda ans Laufen gebracht habe. Mein Name ist Bartholomäus Peisl und es ist mir eine große Ehre und Freude, mich heute ebenfalls als Mitglied des RGC-Forschungsteams vorzustellen. Ich selbst war zweieinhalb Jahre als Mitglied im Vorstand der StudierendenGesellschaft an der Universität Witten/Herdecke tätig. In dieser Zeit habe ich an der Weiterentwicklung, der Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit des deutschen RGC mitgearbeitet. Der RGC war somit einige Jahre Teil meines täglichen Lebens. Deshalb bin dankbar, im Rahmen der Forschungsreise weiterhin an der Ausgestaltung des RGCs mitwirken zu können und dadurch einen Beitrag zur Umsetzung des Models außerhalb von Deutschland zu leisten. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass der RGC international bestehen und gigantische Potentiale freisetzen kann.

Während ich diesen Beitrag schreibe, sind bereits einige Wochen Laufzeit unserer Feldstudie in Ruanda ins Land gezogen. In Kigali bin ich nach einem zweiwöchigen Roadtrip von Namibia aus am 31. März angekommen, um die zweimonatige Forschungsarbeit aufzunehmen. Über einige Ecken gelang es mir, eine kleine Unterkunft im Hinterhof eines Hauses in Kimihurura zu finden, eine der beliebtesten Gegenden in Kigali, mit vielen kleinen Restaurants und Geschäften. Wohlwissend, dass dieser Ort mein Zuhause und mein Büro für die nächsten zwei Monate sein würde, war ich ziemlich erleichtert, dass die Internetverbindung so gut funktionierte und ich ohne Probleme mit Jakob und Batya in Witten kommunizeren konnte. Die Wohnungen im Haupthaus sind an Menschen aus aller Herren Länder vermietet. Jede und jeder einzlene von ihnen ist in verschiedene Projekte involviert, woraus sowohl ein reger Austausch als auch ein schnell wachsendes Netzwerk an Kontakten und Institutionen entstand. Batya und Jakob hatten beeindruckende Vorarbeit beim Netzwerken geleistet, aber wie erwartet konnten wir mit dem richtig intensiven Aufbau von Beziehungen erst jetzt vor Ort loslegen.

Paperwork und Eingewöhnung: die ersten Wochen vor Ort

Die erste Woche verbrachte ich damit, mir einen Überblick darüber zu verschaffen, was das Team bisher geleistet hatte und mich der Kontakte und Beziehungen anzunehmen, mit denen ich in den nächsten Wochen zusammenarbeiten würde. Dies beinhaltete eine Menge Papierarbeit, Berge von Emails und Anrufen, aber glücklicherweise auch die ersten persönlichen Treffen, die wir herbei gesehnt hatten. Der Leiter des lokalen GIZ-Büros stellte sich bei unserem ersten Treffen als ein besonders wertvoller Kontakt heraus: Es handelte sich um einen Alumnus der Universität Witten/Herdecke, der aufgrunddessen bereits mit dem Umgekehrten Generationenvertrag (eng.: RGC) vertraut war und sofort bereit, uns zu unterstützen und unser Projekt in dem weitläufigen Netzwerk der GIZ-Familie bekannt zu machen. Nachdem er alles über unsere Zielgruppen erfahren hatte, bot er uns zusätzlich an, einen ganztätigen Workshop zu organisieren und gemeinsam mit einem breiten Teilnehmerfeld aus unterschiedlichen Interessengruppen die Herausforderungen und möglichen Finanzierungsmöglichkeiten von Hochschulbildung zu erörtern. Leider war unser Timing ungünstig, da er am darauffolgenden Tag für einen mehrwöchigen Aufenthalt nach Deutschland abreiste und erst am vergangenen Donnerstag zurück nach Kigali kehrte. Nun, da er wieder vor Ort ist, können wir mit der Organisation des Workshops und der Vorstellung unseres Projekts im Netzwerk beginnen. Wir freuen uns auf konkrete Gespräche mit Vertretern verschiedener Regierungsbehörden, die interessante Gesprächspartner für uns darstellen würden.

Am Ende meiner ersten Woche in Ruanda begannen die nationalen Trauerfeierlichkeiten zum Gedenken an den Genozid im Jahre 1994, was ich zum Anlass nahm, das Genocide Memorial Museum in Kigali zu besuchen. Im Rahmen meiner Vorbereitung für den Aufenthalt in Ruanda hatte ich einige Berichte und Informationen aus unterschiedlichen Quellen über die damaligen Ereignisse gelesen. Doch auf die Teilnahme an einer Trauerfeier und deren emotionaler Tiefgründigkeit hatte mich die Lektüre von Artikeln natürlich nicht vorbereiten können. Während der mehrtägigen Festlichkeiten nahm ich mir außerdem die Zeit, an einer aufwändig und ansprechend gestalteten Führung teilzunehmen, welche den Besuchern die schrecklichen Ereignisse von vor 23 Jahren näherbringen sollte. Eine schockierende, aber zugleich wichtige Erfahrung, wenn man über einen längeren Zeitraum in Ruanda lebt. Ich war dankbar, genau zur dieser Zeit des Jahres in vor Ort zu verweilen und mir einen Eindruck davon zu verschaffen, was „KWIBUKA“ (Bezeichnung der Gedenkfeierlichkeiten auf Kinyarwanda) bedeutet: die Erinnerung an eine schockierende Vergangenheit, der Zusammenhalt einer Nation, die sich ihr historisches Erbe vergegenwärtigt und daraus Kraft und Energie schöpft, um gemeinsam eine bessere Zukunft zu schaffen.

Obwohl das öffentliche Leben während der offiziellen Trauerfeierlichkeiten lahmgelegt war, konnte ich ein langes Gespräch mit einem GIZ-Anwalt führen. Er erklärte mir viele organisatorische Details, welche internationale und nationale Unternehmen und NGOs beachten müssen, wenn sie sich im Land als solche eintragen lassen wollen. Auch über die Schwächen und Stärken staatlicher Studentenkredite konnte er mir einiges erzählen. Er war angetan von unserem Projekt zur nachhaltigen Studienfinanzierung und erklärte sich bereit, uns in unseren Unternehmungen zu unterstützen. Als Teil einer pro-Bono-Beratung bot er an, unseren RGC-Vertrag wie wir ihn in Deutschland nutzen im Hinblick auf die hiesige Rechtsform zu überprüfen und zu vergleichen und uns beratend zur Seite zu stehen, sobald wir mit der Implementierung starten möchten.

It’s all about networking – und darin sind wir gut!

Wie bereits erwähnt, arbeiten wir mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Zielgruppen zusammen, um all die Daten, Eindrücke, Vorschläge und das Wissen zu erlangen, das wir benötigen, um eine klare Aussage darüber zu treffen, ob, wie und wann der RGC in Ruanda und Südafrika realisiert werden könnte. Eine der Hauptinteressengruppen, mit denen wir arbeiten, sind selbstverständlich Universitäten. Deshalb sind wir besonders glücklich, in diesem Bereich große Fortschritte gemacht zu haben, indem wir bereits mit vier verschiedenen Institutionen Kooperationen aufgebaut haben. INES Ruhengeri ist eine von ihnen. Es handelt sich um eine private Universität im Norden des Landes mit rund 3000 Studenten. Mit ihnen haben wir eine Partnerschaft geschlossen, die über die Forschung an ihrer Institution hinausgeht: Sie sind nun einer unserer Kooperationspartner über den gesamten Zeitraum der Studie hinweg. Dies ist eine notwendige Vorrausetzung, wenn man eine Forschungserlaubnis beim Ministerium für Bildung beantragen möchte. INES war unglaublich schnell bei der Beschaffung aller erforderlichen Dokumente. Die Universität hat unter Beweis gestellt, dass auch sie an das Potential des RGC glauben. Gerade im Moment beginnen wir mit der ersten Testrunde, einer quantitativen Umfrage unter 40 Studierenden. Weiterhin sind qualitative Interviews mit Mitarbeitern geplant und die Beschleunigung unserer Datenerhebung.

Eine weitere vielversprechende Verbindung ist das AKILAH Institut mit Sitz in Kigali. Sie bieten Frauen wertvolle Trainings an, unterstützen ihre Absolventinnen und Absolventen bei der Fortsetzung ihres Studiums oder stellen Verbindungen zu Unternehmen für den Berufseinstieg her. An ihrem Institut dürfen wir nicht nur Umfragen und Interviews führen, sondern wir erhalten ebenso wertvolle Unterstützung in Form von Übersetzungen ins Kinyarwanda, indem Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen uns bei der Datensammlung zur Seite stehen. Darüber hinaus verschaffen sie uns Zugang zu ihrem spezifischen Netzwerk aus Schulen und Firmen. Wir sind in den letzten Verhandlungen über die Inhalte einer Absichtserklärung. Nach erfolgreichem Abschluss würde das AKILAH Insitut unser Hauptnetzwerkpartner für die gesamte Forschungsphase in Ruanda. AKILAH ist einer unser kritischsten und neugierigsten Partner, mit dem wir hart an einer gemeinsamen Vision arbeiten. Das Insitut scheint besonders engagiert, wenn es darum geht, seinen Studierenden eine Perspektive zu bieten. Ihnen liegt nicht nur die Qualität ihrer Bildung am Herzen, sondern auch die Frage, wie Kompetenzlücken geschlossen werden können. Darüber hinaus gründeten sie eine Organisation, die junge Berufseinsteiger mit Firmen zusammenbringt. Wir sind froh, einen Kooperationpartner mit einer solch weitreichenden Perspektive zu haben.

Aufmerksam wurden wir auf AKILAH durch unsere Kontakte zur Kepler University, einer sehr innovativen Universität in Kigali: Um eine kosteneffiziente und qualitativ hochwertige Bildung bereitzustellen, bieten sie einen Großteil der Vorlesungen als MOOCS (Massive Open Online Courses) an, das heißt Onlinekursen, die von einer amerikanischen Universität bereitgestellt werden und nach deren Abschluss Absolventinnen und Absolventen einen Bachelorgrad verliehen bekommen. Außerdem unterstützen sie ihre Studierenden bei der Unterkunft sowie bei der Jobsuche nach erfolgreichem Abschluss. Die Universität ist ständig auf der Suche nach neuen Wegen, um ihr Programm zu verbessern. Ihr Bildungsmodell stellte eine neue und innovative Möglichkeit dar, qualitativ hochwertige Bildung in Schwellenländer zu bringen. Sie bereichern unsere Arbeit als fortschrittliche und zukunftsorientierte Partner. Außerdem suchen auch sie eine nachhaltige Alternative zur Erhebung von Studiengebühren und sind deshalb erfreut, uns bei der Forschung unterstützen zu können. Es war inspirierend festzustellen, wie sie ständig aufs Neue ihre Arbeitsweise und ihr Bildungsangebot hinterfragen und keine Scheu haben, komplett neue Wege zu bestreiten, wenn es darum geht den richtigen zu finden. Wir freuen uns wirklich sehr auf die Zusammenarbeit.

Die letzte Universität, die wir für eine Zusammenarbeit gewinnen konnten, ist die University of Lay Adventists in Kigal, auch UNILAK genannt. Diese Institution enstand aus einer Sekundarschule, welche von der Kirche in Ruanda betrieben wurde. Heute zählt sie mit rund 5500 eingeschriebenen Studierenden zu einer der größten privaten Universitäten. Auch in dieser Universität können wir Mitarbeiter befragen genauso wie Umfragen unter Studierenden und Alumni durchführen. Die Erweiterung unserer Kooperatiospartnerschaften um den Parnter UNILAK war ein wichtiger Meilenstein.

Mit KEPLER und AKILAH hatten wir bereits großartige Partner an unserer Seite, wenn es um fortschrittliche Modelle Im Bereich Hochschulbildung geht. Allerdings verfügen beide Universitäten lediglich über eine eher geringe Anzahl an eingeschriebenen Studenten. INES dagegen verfügt über eine beträchtliche Anzahl an Studenten, liegt aber weit entfernt von Kigali. Für uns war es daher wichtig, eine große Universität für das Projekt zu begeistern, die im Herzen des Landes liegt. UNILAK erfüllt genau diese Kriterien. Dank dieser Kooperation können wir bei der Forschung rund 10 Prozent aller landesweit eingeschriebenen Studenten in Hochschuleinrichtungen einbeziehen, wodurch die Studie als repräsentativ gelten kann.

Ein Kooperationsnetzwerk bestehend aus INES, AKILAH und KEPLER (in den letzten Phasen), ein Workshop mit GIZ in Sicht und ersten Interviews und Umfragen – endlich geht es voran mit der Datenerhebung, endlich machen sich die ersten Früchte unserer Arbeit bemerkbar! Es ist spannend zu erleben, wie jeder, der das Modell RGC einmal verstanden hat, davon fasziniert ist. Wir sind sehr froh, den Fortschritt vor Ort mit eigenen Augen zu sehen. Uns bleiben nur noch sechs Wochen vor Ort und es gilt noch einige Lücken zu füllen, um alle Zielgruppen und Forschungsfragen abzudecken (insbesondere im Wirtschaftsbereich und dem Arbeitsmarkt). Dennoch ist die Vorfreude auf das Eintreffen von Batya und Jakob in Ruanda groß. Zu wissen, dass wir dann gemeinsam mit voller Kraft an dem Projekt arbeiten können, ist eine wundervolle Aussicht. Zu dritt vor Ort werden wir in der Lage sein, die Kommunikation zu intensivieren und im Mai und Anfang Juni eine Menge zu bloggen.

Also seid gespannt auf mehr!

 

Was ist der RGC? Und was steckt hinter dem Projekt?

L’appel Deutschland e.V. und CHANCEN eG haben sich zusammengetan, um den Reverse Generational Contract (RGC) auf den afrikanischen Kontinent auszudehnen. Der RGC ist ein Modell, das Studierenden eine faire Finanzierung ihres Studiums ermöglicht: Mithilfe eines Sozialinvestitionsfonds werden die Studiengebühren der Stipendiaten gedeckt. Sobald die Studierenden ihren Abschluss erhalten und ins Berufsleben einsteigen, leisten sie einkommensabhängig Rückzahlungen, die sich prozentual an ihrem Einkommen bemessen – so sieht es der verbindliche Vertrag zwischen den beteiligten Parteien vor.  Dieses Modell gewährleistet gleiche Bildungschancen für alle, unabhängig von dem finanziellen Hintergrund der jungen Menschen. Die CHANCEN eG verfügt über eine reiche und langjährige Erfahrung bei der nachhaltigen Finanzierung von Bildung und ist somit der bestmögliche Partner in diesem Bereich. L’appel ist eine NGO mit Felderfahrung bei der Implementierung eines UGV-ähnlichen Modells in Sierra Leone. Beide wurden an der Universität Witten/Herdecke gegründet, teilen ähnliche Werte und dieselben Visionen.

Du möchtest noch mehr Infos?

Hochschulbildung benötigt weltweit ein neues Finanzierungsmodell! Wir erforschen die Machbarkeit des RGC in Ländern mit niedrigem Einkommen.

Lies hier mehr!